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4. Das Moralgesetz

Man hat in der Geschichte der Moralphilosophie viele Grundlagen der Moral herangezogen: Die Meinung der Menge, Mitleid, das moralische Gefühl, das größte Glück der größten Zahl (Utilitarismus), die Sitte der Polis/Gesellschaft, das Individuum, den Herrscher, das Bewusstsein von dem Gott oder den Göttern. Alle diese mehr oder weniger empirisch, zumindest aber heteronomen Grundlagen, auf denen man Moral legitimieren wollte, müssen zu recht nach Kant versagen, da sie nicht zur Begründung der allgemeinen Geltung taugen. „Jedermann muß eingestehen, daß ein Gesetz, wenn es moralisch, d.i. als Grund einer Verbindlichkeit, gelten soll, absolute Notwendigkeit bei sich führen müsse; (…) daß mithin der Grund der Verbindlichkeit hier nicht in der Natur des Menschen, oder den Umständen in der Welt, darin er gesetzt ist, gesucht werden müsse, sondern a priori lediglich in Begriffen der reinen Vernunft, und daß jede andere Vorschrift, die sich auf Prinzipien der bloßen Erfahrung gründet, und sogar eine in gewissem Betracht allgemeine Vorschrift, so fern sie sich dem mindesten Teile, vielleicht nur einem Beweggrunde nach, auf empirische Gründe stützt, zwar eine praktische Regel, niemals aber ein moralisches Gesetz heißen kann.“ (Kant: G.M.S., S. 13/BA VIII)

Wenn ein Moralgesetz mit Notwendigkeit und Allgemeinheit gelten soll, dann muss es apriori aus der Vernunft folgen. Die Vernunft ist das reine Allgemeine. Kant nennt dies Allgemeine ein „Fakt der Vernunft“ (5). Da reine Vernunft nicht empirische Handlungen begründen kann, bleibt nur die allgemeine Gesetzmäßigkeit der Handlungen überhaupt, die sie bestimmen kann. Moral gibt Regeln, die dazu führen sollen, dass die größtmögliche Freiheit eines jeden mit der Freiheit der anderen zusammen bestehen kann. In den Handlungen muss also etwas wirksam sein, das sich verallgemeinern lässt. Handlungen selbst und Absichten der Menschen hängen vom jeweiligen Gegenstand ab und können deshalb aufgrund der Mannigfaltigkeit der Gegenstände, Situationen und Absichten, einen Zweck zu erreichen, nicht verallgemeinert werden. Anders sieht es aus bei den subjektiven Regeln, denen meine Handlungen folgen. Kant nennt diese subjektiven Regeln Maximen im Unterschied zu Gesetzen. „Maxime ist das subjektive Prinzip zu handeln, und muß vom objektiven Prinzip, nämlich dem praktischen Gesetze, unterschieden werden. Jene enthält die praktische Regel, die die Vernunft den Bedingungen des Subjekts gemäß (öfters der Unwissenheit oder auch den Neigungen desselben) bestimmt, und ist also der Grundsatz, nach welchem das Subjekt handelt; das Gesetz aber ist das objektive Prinzip, gültig für jedes vernünftige Wesen, und der Grundsatz, nach dem es handeln soll, d.i. ein Imperativ.“ (Kant, a.a.O., S. 51/BA 52, Anm.) (6)

Wenn Maximen, obwohl sie subjektiv sind, von der Absicht und der Situation abhängen, sich dennoch verallgemeinern lassen, dann sind sie das Allgemeine in den konkreten Handlungen, die eine Zusammenstimmung der Einzelwillen zu einem friedlichem Miteinander garantieren könnten. Bezogen auf das Sinnenwesen Mensch, dass sich auch anders als durch Vernunft bestimmen kann, muss der Universalisierungsgrundsatz die Form eines Imperativs haben. Er lautet bei Kant: „handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (A.a.O., S. 51/BA 52)

Diese erste Form des kategorischen Imperativs ist aber bloß formal, sie benötigt einen Inhalt. Außerdem kann man mit einem bloß formalen Imperativ sowohl ein System von Maximen verallgemeinern als auch ein kontradiktorisch gegenteiliges System (Hegel). Deshalb gibt Kant ein zweite Gestalt des kategorischen Imperativs, die den bloß formalen auf das vernünftige Wesen Mensch und seine Bestimmung als Selbstzweck inhaltlich einschränkt.

Der Mensch hat einen freien Willen, dessen Taten immer auch ein Moment absoluter Freiheit implizieren. Er kann sich kraft seiner praktischen Vernunft ein Gesetz des Handelns geben, das allgemein und notwendig für alle Menschen gilt. Er hat Geist, sodass in ihm die Menschheit als Subjekt denkt. Und schließlich kann er sich vernünftige Zwecke setzen, wodurch er das einzige Lebewesen auf der Erde ist, das Subjekt von Zwecken ist. (7) Diese Fähigkeiten des Menschen führen bei Kant zur zweiten Form des kategorischen Imperativs. „Nun sage ich: der Mensch, und überhaupt jedes vernünftige Wesen, existiert als Zweck an sich selbst“. (Kant, a.a.O., S. 59/BA 64) Alle Gegenstände, Neigungen und darauf gegründete Bedürfnisse, konkrete Handlungen, subjektive Zwecke usw. haben einen bedingten Wert, weil sie, wenn das Begehren nach ihnen aufhört, bloße Sachen oder Erinnerungen sind. Einen absoluten Wert, d.h. einen, für den es kein Äquivalent geben kann, haben nur Personen als vernünftige Wesen, was immer der Entwicklungsgrad ihrer Vernunft ist; nur aufgrund dessen, dass jeder Mensch zur Menschheit gehört, ist er als Selbstzweck anzusehen. Lehnt man die Bestimmung des Menschen als Zweck an sich selbst ab, dann gäbe es keinen absoluten Wert, auf den sich ein kategorischer Imperativ gründen ließe, alles hätte nur relativen Wert, alle Zwecke des Menschen liefen in einen schlechten unendlichen Progress fort, es gäbe keine Glückseligkeit und alles wäre „zufällig“ (Kant), „eitel und leer“ (Aristoteles).

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„Wenn es denn also ein oberstes praktisches Prinzip, und, in Ansehung des menschlichen Willens, einen kategorischen Imperativ geben soll, so muß es ein solches sein, das aus der Vorstellung dessen, was notwendig für jedermann Zweck ist, weil es Zweck an sich selbst ist, ein objektives Prinzip des Willens ausmacht, mithin zum allgemeinen praktischen Gesetz dienen kann. Der Grund dieses Prinzips ist: die vernünftige Natur existiert als Zweck an sich selbst. So stellt sich notwendig der Mensch sein eignes Dasein vor; so fern ist es also ein subjektives Prinzip menschlicher Handlungen. So stellt sich aber auch jedes andere vernünftige Wesen sein Dasein, zufolge eben desselben Vernunftgrundes, der auch für mich gilt, vor; also ist es zugleich ein objektives Prinzip, woraus, als einem obersten praktischen Grunde, alle Gesetze des Willens müssen abgeleitet werden können. Der praktische Imperativ wird also folgender sein.
   Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“ (Kant, a.a.O., S. 60 f./BA 66f.)

Dieses Moralgesetz stellt ein Sollen dar, seine Erfüllung ein Ideal. Immerhin gestattet es, einen inneren „Leitfaden und oberste Norm“ (a.a.O., S. 14) für all unser Handeln zu sein. Es ist das Resultat der moralischen Vernunft, die den inneren Maßstab abgibt zur Kritik an den kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen. Aus diesem Imperativ folgt notwendig seine Anwendung in der Praxis, d.h. heute, einen Zustand herbeizuführen, in dem die Menschen ihre Handlungsmaximen an dem Imperativ ausrichten können. Ein solcher Zustand wäre die Bedingung, unter der Moralität wirklich wird. Und ohne Moralität kann der Mensch nicht Selbstzweck sein. „Nun ist Moralität die Bedingung, unter der allein ein vernünftiges Wesen Zweck an sich selbst sein kann“ (a.a.O., S. 68/BA 78)

Ist das Individuum durch heteronome Gesetze bestimmt, dann könnte es seine Zwecke nicht realisieren, dann ist es ohne Würde und ist in seiner Existenz als freies Wesen gefährdet. Es könnte seine eigenen Handlungen nicht zustimmen und wird sich von sich selbst entfremden.

Wer gegen diesen kategorischen Imperativ verstößt, der schädigt andere Menschen (oder sich selbst), deshalb ist er keine Regel von und für Schwärmer, Moralapostel, „Gesinnungsethiker“ (Max Weber), idealistische Weltverbesserer, Gutmenschen oder Stiftsfräuleins. Er ist auch kein Gegenstand, den man vom Standpunkt des handfesten Interesses im Klassenkampf gutmütig belächelt. Ein theoretisch abgestumpfter Arbeiterführer, der ihn in Bezug auf seine Genossen missachtet, schädigt sie und sprengt damit auf die Dauer eine mögliche Solidarität, die nur als freiwillige denkbar ist, gegen das Kapital.

Kants Antagonismus zwischen Neigung und moralischer Pflicht hat sich historisch als Spezialfall eines größeren Antagonismus entpuppt – der Konflikt eines verselbständigten Mechanismus, genannt Kapital, gegen das, was heute objektiv möglich und praktisch notwendig ist: Eine sozialistische Gesellschaft, die einen Zustand erlaubt, in der alle Menschen fast ohne Zwang nach dem Moralgesetz der Freiheit leben könnten und der Krieg zur historischen Erinnerung herabsinken würde.

Stattdessen erzeugt der kapitalistischen Konkurrenzkampfes weiterhin internationale Kriege zur Absicherung von Rohstoffquellen, Kapitalanlagen und Verkehrswegen. Bürgerkriege werden inszeniert, um sich Einflusssphären zu sichern, während Menschenmassen, die für das Kapital wertlos sind, dem Hungertod überlassen werden. Die Dynamik des verselbständigten Kapitalmechanismus, die jede neue Produktivkraft in eine Destruktivkraft verwandelt, widerspricht nicht nur dem kategorischen Imperativ und seinen Konsequenzen (wie z.B. die Solidarität der Völker), sondern gefährdet die Existenz vernünftiger Wesen auf der Erde. Es besteht weiterhin ein atomares Drohpotenzial, dessen Aktualisierung den bewohnten Planeten vernichten und die Menschheit ausrotten könnte. Die Alternative, die schon Kant sah, heißt demnach: Allgemeine Befolgung des Moralgesetzes oder Krieg aller gegen alle (Kr.r.V., 687 f./B 779f.), der unter den gegenwärtigen Bedingungen bis zur Barbarei und Auslöschung der Spezies Mensch führen kann. 

Wer diese Zustände radikal ändern will mit der historischen Perspektive, eine Zustand auf der ganzen Welt zu schaffen, der Moralität allgemein erlaubt, der kann nicht allein an Interessen, die immer nur partikular sind, appellieren, sondern muss die einzelnen Menschen in ihrer moralischen Bestimmung ernst nehmen, an ihr Vernunftinteresse  (das kein Interesse mehr ist) und ihre Würde, die aus ihrer Selbstzweckhaftigkeit folgt, anknüpfen, um die Gesellschaft vom Joch der Kapitalherrschaft zu befreien.

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Letzte Aktualisierung:  08.09.2009