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8.  Moralität und Legalität

Die Werke und Handlungen sind zwar moralisch indifferent, aber nur in Bezug auf die subjektive Schuld, die das Gewissen oder Gott richtet, ihre objektive Wirksamkeit untersteht dem irdischen Richter. Wird der Mensch für seine Sünden, die in der inneren Verachtung Gottes bestehen, nach dem göttlichen Maßstab gerichtet, so basiert die irdische Gerechtigkeit auf einem Maßstab, der sich an der Aufrechterhaltung der rechtlichen Ordnung und dem Gemeinnutz orientiert. Wird moralisch eine Schuld gesühnt, so dient das irdische Recht der Abschreckung vor weiteren Straftaten. Abaelard erläutert diesen Unterschied am Beispiel einer Kindesmörderin. „Voll Mitleid für das Kind drückt sie es also an sich, um es noch dazu mit den eigenen Stoffetzen zu wärmen; schließlich ist sie wegen der Schwäche des Kindes und entgegen ihrem mütterlichen Empfinden gezwungen zu ersticken, was sie in bester Liebe umarmt. Habe die Liebe, behauptet Augustinus, und tu, was du willst. Wenn nun diese Frau zur Buße vor den Bischof kommt, dann wird ihr eine schwere Strafe auferlegt, nicht für die Schuld, die sie begangen hat, sondern damit sie selbst oder die übrigen Frauen in ähnlichen Fällen in Zukunft vorsichtiger werden.“ (Ethica, S. 49 f.)

Ein weiterer Unterschied zwischen Recht und Moral liegt darin, dass der Sachverhalt beweisfähig ist, nicht aber der Grad der subjektiven Schuld, da wir die Gesinnung anderer nicht wahrnehmen können. Abaelard schließt nun diese Lücke im Recht durch das Gewissen, das, auch wenn es noch heteronom abgesichert ist, die Autonomie des Individuums auch gegenüber dem Recht begründet. Kann eine angedrohte Strafe eine Gesetzesverletzung auch durch Abschreckung verhindern, so bleibt das Recht dem menschlichen Bewusstsein ein Äußerliches; fehlt die Strafdrohung, dann ist das Recht unwirksam. Erst wenn das allgemeine Recht in dem Individuum verinnerlicht und moralisch anerkannt ist, wirkt es auch ohne drohende Justiz (so etwa in den Handelsbeziehungen mit Flecken ohne Marktrecht usw.). Andererseits kann ein rechtmäßig Verurteilter moralisch unschuldig sein, während ein Freigesprochener moralisch schuldig sein kann.

Der Gedanke der Differenz zwischen Moralität und Legalität dient nicht nur der Sicherung der herrschenden Ordnung. Die darin enthaltene Aufwertung der menschlichen Subjektivität macht allererst möglich, überhaupt eine Differenz zwischen Moral, die auf dem lex naturale beruht, und dem jeweiligen positiven Recht zu erkennen und kritisch gegen ungerechtes Recht oder bei Abaelard gegen Rechtsverstöße der Mächtigen zu wenden, letztlich gegen jede Art Herrschaftsrecht oder bei Abaelard gegen dessen Missbrauch. Abaelard macht dies gegen päpstliche und bischöfliche Anmaßungen des Ablasshandels, vier hundert Jahre vor Luther, deutlich. „Von wem muß man eher behaupten, er würde Gott vergessen und sich einem verworfenen Denken ausliefern, als von dem, der sich eine solche Macht anmaßt, daß er vorgibt, ihm unterstehe das göttliche Urteil, wenn er die Untergebenen nach Gutdünken bindet oder löst, oder daß er vorgibt, - auch das maßt er sich ungerechtfertigt an – er vermöge die höchste Gerechtigkeit Gottes zu verdrehen, als könne er die zu Schuldigen oder Unschuldigen machen, die ihm passen.“ (Ethica, S. 149)

Es gibt noch einen entscheidenden Unterschied zwischen Moralität und Legalität. Das Recht folgt in Bezug auf Strafe und Sühne von Vergehen dem Äquivalenzprinzip: So große wie der Gesetzesverstoß, so groß muss auch die Strafe sein. Das gilt aber nicht uneingeschränkt für die Moralität: Ist die Reue des Sünders vor Gott oder dem Gewissen wahr und ungeheuchelt, mit „seufzendem Herzen und zerknirschtem Schmerz“ (Ethica, S. 123), dann kann Gott auch schwerwiegende Sünden durch seine Barmherzigkeit ohne äquivalente Strafe vergeben, wenn sie nicht eine Lästerung wider den Hl. Geist war (vgl. a.a.O., S. 119). „Gott verschont den Reumütigen von der ewigen Strafe, die dieser, wie wir gesagt haben, eigentlich verdient hatte. Auch wenn Gott in einem Reumütigen nicht mehr findet, was er in alle Ewigkeit bestrafen müsste, so sagt man dennoch, daß er die Strafe für einen vorausgehenden Fehler verzeiht“ (a.a.O., S. 115). Da der moralisch Schuldige seine Reue mit seinem Gewissen und Gott als imaginierte Strafinstanz ausmacht, hängt die Strafe und die Vergebung im Gegensatz zur Legalität allein von ihm ab, das Individuum wird auch durch diesen Unterschied in seiner Autonomie gestärkt. (9)

Durch die Trennung von Legalität und Moralität entsteht eine Privatsphäre des Individuums, die eine Tendenz zum bürgerlichen Subjekt ausdrückt: „Was das Denken Abaelards antizipiert, ist das bürgerliche Subjekt, das zu seiner Glückseligkeit nicht der Vermittlung einer universalen Instanz bedarf. Als Privatpersonen werden die Individuen voreinander und von den sie bestimmenden umfassenden sozialen Einheiten unabhängig. Ihr Verhältnis untereinander regelt sich nach dem formalen Recht, das keine moralische Teleologie mehr impliziert. Die Handlungen der Individuen sind auch hier indifferent, sofern sie legal sind. Demgegenüber setzt das solcherart autonome Individuum seinen Handlungen Zwecke, für deren moralischen Charakter es allein einsteht. Was das allgemeine, aber der verpflichtenden Teleologie entbehrende formale Recht nicht leisten kann und um der bürgerlichen Selbstbestimmung der Individuen willen auch gar nicht beanspruchen darf, müssen die Individuen aus einer nur ihnen eigenen Kraft vollbringen.“ (Mensching: Moralität, S. 431)

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Letzte Aktualisierung:  08.09.2009